Wie nuorail für Energieeinsparungen sorgt

Wenn es um die Optimierung von Energieeffizienz auf der Schiene geht, ist Geschwindigkeit das A und O – aber nicht unbedingt schneller fahren! Eher die Berechnung sollte schneller gehen.
Stylised illustration of a train passing over fields of binary code

Lohnt es sich, in Technologien zu investieren, die kleine, aber beständige Energieeinsparungen ermöglichen? Natürlich, wenn diese kleinen Einsparungen viele Male am Tag erzielt werden können... oder sogar viele Male am Tag, über mehrere Instanzen hinweg. Sagen wir, über ein ganzes nationales Eisenbahnnetz.

Der grösste Anteil an den Energiekosten des Zugbetriebs entfällt auf die Traktion, d. h. darauf, den Zug in Bewegung zu halten. Zwar lässt sich der Energieverbrauch durch ein sorgfältiges Geschwindigkeitsmanagement senken, doch hat die Einhaltung des Fahrplans natürlich höchste Priorität. Und keines der derzeitigen Systeme ist in der Lage, die Energieeffizienz wirklich zu optimieren.

Die meisten Züge werden von menschlichen Fahrern geführt. Fahrerberatungssysteme in Form von Anzeigen auf dem Armaturenbrett geben den Fahrern die notwendigen Hinweise, um eine einigermassen konstante Geschwindigkeit zu halten und pünktlich anzukommen. Diese Systeme zielen darauf ab, den Energieverbrauch zu optimieren (durch Vermeidung der Ineffizienzen von Beschleunigung und Bremsen). Sie sind aber limitiert in ihrer Software. Dazu kommen natürliche Schwankungen in der Fähigkeit (oder Motivation) des Fahrers, den Anweisungen zu folgen.   

In der Zwischenzeit geht die Industrie stetig, wenn auch langsam, zum automatisierten Fahren über. Derzeit beruht dies jedoch auf heuristischen (oder "ausreichend guten") Algorithmen. Die Energieoptimierung übersteigt die Möglichkeiten der bestehenden Steuerungen. Ein Forschungsteam des NFS Automation hat es jedoch geschafft, die derzeit beste Leistung zu verbessern und damit das Potenzial für erhebliche wirtschaftliche und ökologische Vorteile zu erschliessen.

Warum wurde dieses Problem vernachlässigt?

Nachdem Dimitris Kouzoupis in einer Gruppe promoviert hatte, die sich mit schnellen Echtzeit-Steuerungsalgorithmen beschäftigte und Instrumente entwickelte, die im Prinzip in vielen verschiedenen Industriezweigen eingesetzt werden können, begann er zu untersuchen, wie sie bei der Eisenbahn helfen könnten. Obwohl das Potenzial für Energieeinsparungen in diesem Bereich erkannt wurde, galt es als schwieriges Problem: Die verfügbaren Steuerungsmethoden waren einfach zu langsam. Die Optimierung der Zuggeschwindigkeit erfordert eine ständige Anpassung auf kleinstem Raum, was bedeutet, dass jede Berechnung, die mehr als ein paar Sekunden braucht, nichts bringt.

Die Lösung dieses Problems stand bei niemandem auf der Prioritätenliste ganz oben. Wenn Mathematiker neue Algorithmen entwickeln, müssen sie die Dinge vereinfachen. Es müssen Annahmen getroffen und Komplikationen beseitigt werden. Aber wie man so schön sagt, steckt der Teufel im Detail: Diese Komplikationen sind in der realen Welt höchst relevant, so dass die eleganten neuen Theoreme, welche diese Komplikationen vernachlässigen, der Eisenbahnindustrie nicht viel nützen.

Und innerhalb der Branche? Die Zugbetreiber sind zwar motiviert, die Energiekosten zu senken, aber sie stellen die Züge nicht her. Für die Hersteller ist die Ermöglichung von Energieeinsparungen ein Pluspunkt für die Umwelt (was ihrem Marketing und ihrem Ruf zugute kommt), aber kleine Verbesserungen rechtfertigen die Investitionen möglicherweise nicht. Es genügt zu sagen, dass ihre Züge "effizienter" sind, ohne jede Möglichkeit für weitere Einsparungen auszuloten. Wenn man jedoch bedenkt, wie viel Energie der Betrieb des gesamten Schweizer Schienennetzes in einem Jahr verbraucht, dann gibt es eindeutig viel zu gewinnen.

Es bedurfte Dimitris und seiner Kollegen mit ihrer sehr spezifischen Kombination von Fachwissen - Mathematik, Software und Kenntnisse der Eisenbahnindustrie - um hier Fortschritte zu erzielen. Weltweit gibt es nur sehr wenige Menschen, die sich mit numerischen Optimierungslösungen (dem idealen Werkzeug für eine schnelle Steuerung) befassen - eine seltene Konstellation also. Ein Glück, dass sie sich zusammengetan haben: Ihr Start-up mit dem Namen nuorail hat Algorithmen entwickelt, die endlich schnell und effizient genug sind, um wirklich etwas zu bewirken.

A photo of train tracks leading toward a city is overlaid with circuit board symbols.
Die nuorail-Innovation besteht darin, dass sie in der Lage ist, in kürzester Zeit die optimale Geschwindigkeit auf der Grundlage wechselnder Bedingungen zu berechnen, wobei mehrere Faktoren berücksichtigt werden.

Nuorail arbeitet mit detaillierten Modellen, die zeigen, wie sich die Züge bei der Anwendung von Traktion verhalten, sowie mit vollständigen Angaben zum Profil der Strecke. Das Besondere ist jedoch ein dynamisches Effizienzmodell, das genau bestimmt, wie viel Energie beim Beschleunigen oder Bremsen verloren geht, abhängig von der Zuggeschwindigkeit und der angewandten Kraft. Das Modell an sich ist nicht einzigartig; der Durchbruch besteht darin, diese grosse Menge an Daten in eine Echtzeitoptimierung einfliessen zu lassen.

Die Software kann alle relevanten Bedingungen berücksichtigen, sowohl feste als auch variable (z. B. das sich ändernde Gewicht des Zuges, wenn sich die Zahl der Fahrgäste oder die Ladung ändert, oder wechselnde Wetterbedingungen oder Störungen im Fahrplan). Es liegt auf der Hand, dass die Optimierung der Geschwindigkeit über die gesamte Strecke eines Zuges ein kompliziertes Problem ist, bei dem Hunderte von Dimensionen berücksichtigt werden müssen; dennoch ist die Software leistungsfähig genug, um diese Berechnungen mehrmals pro Sekunde durchzuführen, so dass endlich eine Echtzeitsteuerung möglich ist.

Automatisierung für den Planeten

Das ist wichtig, denn die Automatisierung des Eisenbahnsektors ist bereits im Gange. Die Schweiz hat einen klar definierten Plan für die Modernisierung der Bahninfrastruktur im ganzen Land, wobei die Digitalisierung zur Norm wird. Dies schafft einen starken Anreiz für die Einführung des "Autopiloten", der auf verschiedenen Automatisierungsgraden basiert. Nuorail ist gut aufgestellt, um diesen Wandel zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass er erhebliche Energieeinsparungen mit sich bringt.

Das bedeutet, dass die Flotte viel schneller modernisiert werden kann, als wenn jeder Zug am Ende seiner 20- oder 30-jährigen Lebensdauer schrittweise ausgetauscht werden müsste. Und natürlich können die neuen Algorithmen auch in bestehende Fahrerberatungssysteme integriert werden.

Noch ist alles theoretisch, aber die ersten Schritte auf dem Weg zur Kommerzialisierung sind getan. Das Team des NFS Automation arbeitet mit Stadler und der Südostbahn zusammen, um ihre Lösung weiterzuentwickeln und zu testen. Die ersten Tests sind sehr positiv verlaufen und erste Daten wurden generiert; in weiteren Tests in den kommenden Monaten werden die erzielten Energieeinsparungen ausgewertet.

Die Forscher gehen davon aus, dass sich diese Einsparungen auf einige Prozentpunkte belaufen - im Vergleich zu modernen marktüblichen Alternativen, die bereits effizient sind. Bei der Nachrüstung älterer Züge (z. B. Güterzüge) wird die Rendite noch grösser ausfallen. Aber selbst ein paar Prozent weniger Energie, die das gesamte Schweizer Schienennetz im Laufe eines Jahres verbraucht, bedeuten eine enorme Verringerung des Kohlendioxidausstosses und könnten somit über die finanziellen Einsparungen hinaus einen wertvollen Beitrag zu den Emissionszielen leisten. Im laufenden Kampf um die Senkung des Kohlenstoffausstosses ohne radikale Änderungen des Lebensstils könnten kleine, aber skalierbare Verbesserungen eine grosse Wirkung erzielen.