Auf dem Weg zu mehr Fahrgastkomfort
Wer schon einmal im Sommer mit der Londoner U-Bahn gefahren ist, wird die Züge in der Schweiz besonders zu schätzen wissen. Sie fahren häufig und pünktlich, sind selten überfüllt und haben auch eine angenehme Temperatur! Unabhängig von der Jahreszeit kommen Sie weder schweissgebadet noch fröstelnd an Ihrem Ziel an. Und angesichts der häufigen Veränderungen an Bord - grosse Gruppen, die auf einmal ein- oder aussteigen, oder vorüberziehende Wolken, nach denen die Sonne direkt durchs Fenster scheint - ist das eine grosse Leistung.
Um diesen Komfort zu erreichen, muss viel Energie aufgewendet werden. Die ausgeklügelte Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlage (HLK) ist nach dem Antriebssystem der grösste Energieverbraucher in den SBB-Zügen. Das bedeutet natürlich, dass eine Verbesserung der Effizienz hier einen wesentlichen Beitrag zur Energieeinsparung leisten kann. Darauf konzentriert Ahmed Aboudania seine Bemühungen.
Der Schlüssel dazu ist der Einsatz modernster Methoden der Regelungstechnik, um die automatische Aktivierung von Heizung und Kühlung zu verbessern. In Zusammenarbeit mit den SBB hat Ahmed eine Lösung entwickelt, bei der eine modellprädiktive Regelung (MPC) zum Einsatz kommt. Diese zeichnet sich durch eine Optimierung innerhalb festgelegter Grenzen aus und kann - was entscheidend ist - sowohl die erwarteten als auch die aktuellen Bedingungen berücksichtigen.
Derzeit versorgt das HLK-System den Zug mit Frischluft und hält die Innentemperatur mit einer zweiteiligen Regelung aufrecht. Zunächst bestimmt ein regelbasiertes System die Zieltemperatur im Zug, die sich an europäischen Normen orientiert. Dieser Regler sendet dann Anweisungen an einen Proportional-Integral-Differential-Regler (PID), der die Differenz zwischen der Ist- und der Solltemperatur berechnet und die Heiz- bzw. Kühlleistung je nach Bedarf anpasst.
Da der Regler ständig die Ist-Bedingungen mit dem Soll-Wert vergleicht und sich die Bedingungen ständig ändern, passt er die Temperatur als Reaktion auf bereits eingetretene Veränderungen an. Wenn sich der Zug an einer Station leert und an der nächsten Station wieder füllt, kann das bedeuten, dass die Heizung anspringt, um einige Minuten später wieder abzuschalten. Der Regler ist nicht in der Lage, zukünftige Informationen zu berücksichtigen. Dies ist nicht nur ineffizient, sondern kann auch eine weniger komfortable Fahrt für die Fahrgäste bedeuten; eine gleichmässige Temperatur und ein Mindestmass an Frischluft sind häufigen Änderungen in der Regel vorzuziehen.
Ahmeds Lösung besteht darin, einen MPC-Regler in das bestehende Regelsystem einzubinden und die vom regelbasierten System erzeugte Solltemperatur entsprechend der zusätzlichen Informationen über Wetter, Belegung usw. zu ändern. Der MPC-Regler gibt dann eine neue Solltemperatur als Eingang für den PID-Regler aus.
Das billigere und bessere System
Der Unterschied besteht darin, dass die PID nun ein relevanteres Ziel verfolgt, das auf einem umfassenderen Bild der Umgebungsbedingungen sowie auf Energieoptimierung beruht. Der MPC-Regler berücksichtigt die vorhergesagten Bedingungen (von der erwarteten Auslastung nach dem nächsten Halt bis hin zu prognostizierten Wetteränderungen). Während PID nur das Zugklima steuert, kann MPC sowohl den Energieverbrauch als auch die gewünschte Temperatur optimieren. Ausserdem zielt MPC auf einen engen Temperaturbereich ab (z. B. 21-23º), während die PID immer den Mittelwert (22º) anstrebt. MPC kann auch die Geschwindigkeit der Änderungen steuern und betriebliche Einschränkungen wie die maximale Eingangsleistung berücksichtigen, was sowohl den Komfort als auch die Effizienz verbessert.
Das ist die Theorie. Ahmeds Team hat mit den SBB zusammengearbeitet, um sie zu testen. Dazu wurden alle notwendigen Daten gesammelt, die thermische Dynamik der Züge untersucht (mit Techniken zur Systemidentifikation und maschinellem Lernen), ein genaues thermisches Modell erstellt (das hochpräzise, aber dennoch einfach genug zu handhaben sein muss) und schliesslich umfangreiche Simulationen durchgeführt, um die Leistung des MPC-Reglers zu bewerten.
Das Ergebnis? Die tatsächlich erreichten Temperaturen bewegen sich in der Regel am oberen oder unteren Rand des zulässigen Bereichs, ohne diesen zu überschreiten. Das bedeutet einen deutlich geringeren Energieaufwand, da das System die Kompensation der äusseren Bedingungen auf ein Minimum reduziert. Tatsächlich zeigt die Simulation Einsparungen von 10% durch den Einsatz des MPC - eine erhebliche Verbesserung.
Ziel: eine umgestaltete Flotte?
Angesichts der guten Ergebnisse der Simulation sind die SBB bereit, die Umsetzung weiter voranzutreiben. Grundsätzlich sollte die Einführung von MPC ein weitaus kosteneffizienterer Weg zu Energieeinsparungen sein als die teure und mühsame Nachrüstung von Zügen mit neuen HLK-Geräten. Sobald der Code entwickelt ist, kann er problemlos auf die gesamte Flotte ausgeweitet werden.
Auf dem Weg dorthin gibt es jedoch noch eine Reihe weiterer Stationen. Die Steuerung muss in einem echten Zug getestet werden, um zu sehen, wie sie mit Herausforderungen wie unzuverlässigen Wetter- und Belegungsprognosen, Kommunikationsausfällen, Sensorrauschen und mehr zurechtkommt.
Darüber hinaus ist die Entwicklung der Software-Architektur für die Integration von MPC in die sicheren Systeme der SBB ein grosses Projekt für sich. Die Steuerung muss in ein komplexes Netz miteinander verbundener, aber separater Elemente integriert und die Sicherheitszertifizierung erreicht werden. Sicherheit und Zuverlässigkeit haben natürlich die höchste Priorität.
Es gibt also gute Gründe, sich langsam an das Ziel heranzutasten; aber das Ziel ist es wert, sich Zeit zu lassen. Da die gesamten HLK-Kosten 15-20% des Gesamtenergieverbrauchs der Flotte ausmachen, ist dies nicht nur ein bedeutender ökologischer, sondern auch ein wirtschaftlicher Vorteil. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Forschung des NFS Automation der Schweizer Gesellschaft einen konkreten Nutzen bringen und den Wissensstand erweitern kann.