Pünktlich und budgetgerecht: Wie neuronale Netze Bestandsprobleme lösen können
Stellen Sie sich vor, Sie betreiben eine Kuchenfabrik. Eines ihrer wichtigsten Ausgangsmaterialien ist Mehl, das Sie in großen Mengen verbrauchen, so dass Sie regelmässig neues Mehl bestellen müssen. Es ist jedoch schwierig, genau vorherzusagen, wie viel Mehl Sie bestellen sollten, da Ihre Kuchenbestellungen stark schwanken können. In einem ruhigen Monat könnte eine gleichmässige wöchentliche Mehllieferung ausreichen, aber in einer arbeitsreichen Zeit - vielleicht vor Weihnachten - müssen Sie vielleicht ein paar Eilbestellungen aufgeben, um die Produktionslinien am Laufen zu halten und sicherzustellen, dass die Kunden nicht enttäuscht werden.
Natürlich sind Eilaufträge teuer. Sie sollten nicht zu viele davon einplanen. Andererseits bedeutet die Bevorratung von Mehl, um die Eillieferungsgebühr zu vermeiden, zusätzliche Lagerkosten und möglicherweise Abfall, da die Haltbarkeit von Mehl begrenzt ist. Und wenn die Vorräte knapp werden, besteht natürlich das Risiko von Produktionsausfällen und Kundenverlusten.
Dieses Problem - bekannt als Dual-Sourcing-Problem, wobei sich "Dual-Sourcing" auf die beiden Lieferoptionen (langsam, aber günstig, oder schnell und teuer) bezieht - ist natürlich alt und ziemlich prosaisch. Aber in den letzten Jahren haben Mathematiker an neuen Lösungen gearbeitet, die in nur 15 Jahren zu beeindruckenden Effizienzsteigerungen geführt haben; und jetzt kommt man mit maschinellem Lernen einem optimalen Ergebnis noch näher.
Die Lücke verkleinern
Probleme bei der Beschaffung der Lagerbewirtschaftung sind eine spezielle Untergruppe von Problemen der optimalen Steuerung - ein mathematisches Gebiet, das Mitte des 20. Jahrhunderts von Lew Pontrjagin und Richard Bellman begründet wurde (und bei der Planung der Apollo-Mondmissionen zum Einsatz kam). Im Jahr 2007 war der Stand der Technik bei der dualen Beschaffung die "Single-Index"-Heuristik, die eine Bestandsverwaltung mit einer "Optimalitätslücke" (d. h. der Differenz zwischen den tatsächlichen und den optimalen Kosten) von etwa 10-20 % ermöglichte. Im darauf folgenden Jahr wurde diese Lücke durch den "Dual-Index"-Ansatz auf etwa 1-2 % reduziert.
Natürlich handelt es sich bei dieser Lücke um eine akademische Berechnung, die in der Regel in der realen Welt nicht genau bestimmt werden kann. Dennoch ist sie ein nützlicher Hinweis auf das Ausmaß der Ineffizienz des Systems. Und im Jahr 2019, nach einem Jahrzehnt weiterer Untersuchungen, wurde diese Lücke mit der Methode des "gekappten dualen Indexes" auf nur 0,5-1 % reduziert.
Das ist eine enorme Verbesserung, aber es ist immer noch Geld auf dem Tisch: Wie können wir das letzte bisschen Verschwendung im System ausmerzen? Wie können wir das bestmögliche System für eine effiziente Lagerbestellung finden?
In diesem erstaunlich regen Forschungsfeld ist ein neuer Ansatz entstanden, der die Lern- und Verbesserungsfähigkeit rekurrenter neuronaler Netze nutzt. Diese Lösung, die von einem europaweiten Forschungsteam entwickelt wurde, dem Thomas Asikis (Game Theory, Universität Zürich, NFS Automation), Lucas Böttcher (Frankfurt School of Finance & Management und University of Florida) und Ioannis Fragkos (Rotterdam School of Management, Erasmus Universität Rotterdam) angehören, verwendet ein dynamisches neuronales Netz, um mögliche Auftragspläne und die damit verbundenen Kosten zu berechnen, wobei eine Vielzahl von Inputs berücksichtigt wird.
Die Ergebnisse sind beeindruckend. Nach nur wenigen Minuten Training auf einem normalen Computer kann das neuronale Netz wesentlich kleinere Optimalitätslücken erzielen, als dies mit den üblichen "Capped Dual Index"-Berechnungen möglich ist. In einer großen Anzahl von Fällen, die von den Autoren untersucht wurden, übertraf das neuronale Netz entweder die Capped-Dual-Index-Strategie oder erreichte die gleiche Leistung. Darüber hinaus haben sie gezeigt, dass ihre Methode nahtlos in tatsächliche Nachfragedaten integriert werden kann, was die Anwendung in der Praxis erleichtert.
Der Schlüssel zu diesem Durchbruch ist das "dynamisch-informierte" Element. Das bedeutet, dass das neuronale Netz so konzipiert ist, dass es berücksichtigt, wie sich das zu optimierende System im Laufe der Zeit verhält. Das Design nutzt auch vorhandenes Wissen über die Struktur optimaler Lösungen - die Neuronen innerhalb des Netzes ähneln bewährten "guten Wegen" zur Auftragsvergabe, so dass das Netz auf bereits bewährten Verfahren aufbaut. Das Ergebnis? Geringere Kosten, aber auch weniger Abfall und eine höhere Kundenzufriedenheit - was sowohl den Verbrauchern als auch der Umwelt und der Fabrik zugute kommt.
Das Inventarproblem ist zwar ein sehr konkretes Beispiel, das grosse praktische Vorteile bietet, aber der Nutzen dieses Ansatzes geht über die Logistik hinaus. Mit dem Entwurf eines neuronalen Netzes lassen sich mit nur wenigen Minuten Rechenzeit bessere Ergebnisse erzielen als mit traditionellen Methoden aus dem Operations Research und der optimalen Steuerung. Der Entwurfsprozess dieser Netze kann auf jedes komplexe System angewandt werden, für das wir über Modelle verfügen, die seine Entwicklung im Laufe der Zeit abbilden, z. B. zur Lösung von Problemen im Verkehrs- und Gesundheitswesen. Insbesondere die Entstehung digitaler Zwillinge in der Biomedizinaltechnik (Computermodelle, die biomedizinische Systeme simulieren) verspricht große Fortschritte bei der Behandlung und Arzneimittelentwicklung. Dies wird durch die Integration von computergestützten Patientenmodellen mit effektiven neuronalen Netzsteuerungen erreicht.
Die Lösung des Problems der Dual-Sourcing-Bestandssteuerung ist ein schönes Beispiel für die Leistungsfähigkeit des maschinellen Lernens - trotz intensiver Forschungsanstrengungen in den letzten Jahren konnten die rechnergestützten Methoden nur schwerlich weiter verbessert werden.; Aber Verbesserungen sind immer noch möglich, wie dieses dynamisch informierte neuronale Netz zeigt. Es ist spannend, sich vorzustellen, wie viele andere knifflige Probleme in den kommenden Jahren mit ähnlichen Ansätzen gelöst werden könnten.
Text: Robynn Weldon
Weitere Informationen:
L. Böttcher, T. Asikis, and I. Fragkos, “Control of Dual-Sourcing Inventory Systems Using Recurrent Neural Networks,” INFORMS Journal on Computing, vol. 35, no. 6, pp. 1308–1328, Nov. 2023, doi: 10.1287/ijoc.2022.0136.
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