Wie eine Idee zur Verkehrskontrolle zu einer kommerziellen Realität werden könnte

Staus, Unfälle und Emissionen sind einige der Hauptprobleme die Verkehrsforschende anzugehen versuchen. Oft erstellen sie dafür mithilfe von zahlreichen Sensoren komplexe digitale Zwillinge der Verkehrsinfrastruktur, um dann verschiedene Szenarien simulieren zu können und so optimale Lösungen zu finden.
Auch Carlo Cenedese arbeitet an diesen Problemen. Seine Forschung begann in seinem Heimatland Italien und führte ihn über eine Promotion in den Niederlanden an der Universiteit Groningen schliesslich als Postdoktorand ans Institut für Automation (IFA) der ETH Zürich und den NFS Automation. Statt mit aufwändigen digitalen Zwillingen arbeitet Carlo mit intelligenten Algorithmen. Diese sollen Menschen zu entgegenwirkendem Verhalten beeinflussen statt dass zusätzliche Infrastruktur gebaut werden muss. Dieser innovative Ansatz hat auch erfahrene Verkehrsplaner überrasch, wie Carlo sich erinnert. "Bereits in den Niederlanden nahm ich Kontakt mit Autobahnbetreibern auf", so der Forscher.
Ein reales Problem mithilfe von bench2biz angehen
Um seine Ideen in die Tat umzusetzen benötigte Carlo jedoch Hilfe. Sein Landsmann Michele Cucuzzella, arbeitete in den Niederlanden gemeinsam mit Carlo in derselben Forschungsgruppe. Sie begannen, eine gemeinsame Idee zu entwickeln: eine Technologie, die dazu beitragen könnte, die heutigen Stauprobleme zu lösen – vor allem in kleineren Städten mit hohem Verkehrsaufkommen, in denen es aber keine Spezialisten für städtischen Verkehr unter den Bauingenieuren gibt. Doch bevor sie die Arbeit an ihrer Idee fortsetzen konnten, wechselte Michele als Assistenzprofessor an die Universität von Pavia. Ihre Freundschaft und ihre Geschäftsidee blieben jedoch bestehen.
In der Zwischenzeit nahm Carlo Kontakt zu lokalen Gemeindevertretern in Italien auf. Sie hatten mit der Forderung der Europäischen Union zu kämpfen, strategische Pläne zur Lösung von Verkehrsstaus vorzulegen, die im Idealfall auch die Lärm- und Partikelemissionen verringern würden. Eine ideale Gelegenheit für Carlo und Michele um ihre Idee zu testen.
Als Mitglied des NFS Automation nutzte Carlo das Angebot, um sich für Bench2Biz zu bewerben – einem jährlicher Workshop, den ein Konsortium von NFSe als Instrument anbietet, das es ihren Forschenden ermöglicht Spin-offs zu gründen und die kommerzielle Verwertbarkeit ihrer meist grundlegenden Forschungsergebnisse zu untersuchen. "Dies war die perfekte Gelegenheit für Michele und mich, uns wieder zu treffen und ein Team zu bilden, das diese konkrete Herausforderung der italienischen Gemeinde aus einer anderen Perspektive betrachten kann", so Carlo.
Von Wissenschaftlern zu potenziellen Unternehmern
"Bei den bench2biz-Workshops geht es nicht um die Wissenschaft, sondern um das Marktpotenzial, den Schutz des geistigen Eigentums (IP) und die organisatorische Planung", betont Benjamin Sawicki, Wissens- und Technologietransferbeauftragter des NFS Automation und Mitorganisator des diesjährigen Workshops. Carlo und Michele mussten ein Formular ausfüllen, um herauszufinden, ob ihre Idee die Anforderungen für Deep-Tech erfüllt und um sicherzustellen, dass ihre Idee nicht schon zu weit entwickelt war, um noch in einer Pre-Seed-Phase berücksichtigt zu werden.
Im Rahmen des Auswahlverfahrens wird jedes Team interviewt. "Carlo hatte Schwierigkeiten, in einfachen Worten zu benennen, worum es bei seiner Idee geht", erinnert sich Benjamin und fügt hinzu: "Aber er wurde angenommen und hat innerhalb weniger Tage eine beeindruckende Entwicklung durchgemacht. Carlo kann das Problem und seine Geschäftsidee nun in weniger als einer Minute darlegen."
"Bench2biz sucht aktiv nach anderen Forschenden, die sich Ideenchampions wie Carlo anschliessen, um die verschiedenen Vorbereitungsphasen während der fünf Workshops zu durchlaufen", sagt Benjamin. Carlos Team bestand aus seinem Geschäftspartner Michele sowie Lidia Alexa, einer Marketing-Professorin, Marcel Greber, einem Branchenexperten der SBB, und seinem bench2biz-Coach mit MBA-Abschluss und Erfahrung in der Gründung von Unternehmen.
Von der Idee zum Plan
"Die Workshops waren sehr unterhaltsam. Es gab kurze Vorträge von maximal 7 Minuten von Mark Wilson, dem Gründer von bench2biz, und seinem Co-Moderator Christian Moser vom Schweizerischen Institut für Geistiges Eigentum. Dann teilten wir uns in unsere Teams auf und arbeiteten an der jeweiligen Fragestellung. Die Zeit reichte nie aus um fertig zu werden. Doch wir begannen eine Idee zu entwickeln, bevor wir uns wieder zusammensetzten, damit wir Feedback zu den nächsten Schritten erhalten konnten", erklärt Carlo. Eliav Haskal von der Universität Freiburg, der seit mehreren Jahren Teams bei bench2biz coacht, fügt hinzu: "Die Teams beginnen mit einer Idee und enden mit 20 PowerPoint-Folien. Ich weiss, das klingt nicht sehr wichtig, aber ehrlich gesagt stellt jede Folie eine spezifische Frage, über die man nachdenken muss. Und dieser Foliensatz wird als Vorlage und Rahmen eingeführt, um die Gedanken rund um die Geschäftsidee zu strukturieren."
Bench2biz ist kein Wettbewerb, doch Carlo gewann Einblicke, verschiedene Sichtweisen und hat vielleicht schon eine neue Idee für das nächste interessante Projekt entwickelt. Wenn Sie sich auch für Deep-Tech, Coaching, Ideenfindung und Unternehmertum interessieren, nehmen Sie an der nächsten Folge im Jahr 2022 teil!