Walenstadt: die Energieinsel
Walenstadt befindet sich am Ende des Walensees, nahe Lichtenstein, in einem engen Bergtal, und profitiert von einer Fülle an erneuerbaren Energien von drei Wasserkraftwerken sowie Photovoltaik. Nebst den 5'000 Haushalten befindet sich hier auch ein Spital sowie weitere essenzielle Infrastruktur, die Walenstadt zu einem Mikrokosmos fürs Schweizer Energiesystem mit Blick auf Angebot und Nachfrage macht.
Die Gemeinde Walenstadt sieht in ihren natürlichen Ressourcen eine wirtschaftliche Chance, indem sie ihren Stromüberschuss an das nationale Stromnetz verkauft, und eine Möglichkeit, ihre Resilienz im Zusammenhang mit Naturkatastrophen und wirtschaftlichen Schocks (wie sich ändernden Energiepreisen) zu stärken.
Wir sehen eine Lernwiese, um drängende Fragestellungen hinsichtlich der Entwicklung vollautomatisierter Energiesysteme, die erneuerbare Energien einschliessen, zu erforschen. Da diese volatilen Energiequellen mit einer gewissen Unsicherheit verbunden sind, braucht es ausgeklügelte Lösungen, um sicherzustellen, dass die zukünftige Energieversorgung nicht nur nachhaltig, sondern auch robust und zuverlässig ist. Dieser aufkommende Forschungsbereich hält viele zu erforschende Wege bereit.
- Wie können wir ein nachhaltiges Stromnetz aufbauen und unterhalten, das die Möglichkeit bietet, Strom abgestimmt auf den künftigen Bedarf zu speichern und ihn extern zu handeln?
- Was können wir über Stromverteilungsraten, den Stromverbrauch und Flexibilitätsbedürfnisse lernen?
- Welche Lösungen können wir für zu erwartende Herausforderungen erforschen?
- Welche unvorhergesehenen Probleme könnten auftreten?
Allein die bereits vorhandene hohe Innovationsdichte macht Walenstadt so interessant. Die Stadt unternimmt bereits einiges, um ihre Energieversorgung zu transformieren; neben den neu errichteten Wasserkraftwerken, bereitet es sich darauf vor, externe Energiequellen durch umweltfreundlichere Optionen zu ersetzen. Das alles unterstreicht die dringende Notwendigkeit, zu erforschen, wie der gesamte lokale Energiemarkt (von der Versorgung über die Nachfrage bis hin zur Interaktion) besser orchestriert werden kann, um erneuerbaren Energien, die sich in ihrer Beschaffenheit sehr stark von der klassischen elektromechanischen Stromerzeugung unterscheiden, mehr Raum zu bieten.
Wie umgehen mit der erhöhten Unsicherheit durch erneuerbaren Energien?
Während man sich darauf verlassen kann, dass ein klassischer Wechselrichter Strom genau nach spezifischen Vorgaben generiert, gestaltet sich die Erzeugung der richtigen Spannung zum richtigen Zeitpunkt mit erneuerbaren Energien (z. B. Solarenergie) viel schwieriger. Ein Versorgungsnetz, das aus erneuerbaren Energien besteht, wird typischerweise von mehreren kleineren Kraftwerken gespeist, die als ein einziges Netzwerk betrieben werden müssen, wenn das Ziel ist, ein grosses Kraftwerk zu ersetzen, dessen Energiebereitstellung vorhersagbar ist. Eine der Herausforderungen ist also die Entwicklung einer algorithmischen Steuerung, die es erlaubt, das Netzwerk zu stabilisieren, indem die verteilte Leistung berechnet und entsprechende Angaben an die jeweiligen Anlagen geschickt werden. Dieser Bereich steckt noch in den Kinderschuhen. Mögliche Lösungen werden erst entwickelt und bestehende wurden bis anhin erst auf kleinen Prüfständen demonstriert.
So viel zur Versorgung; aus Sicht der Nachfrage kommt auch noch das menschliche Verhalten ins Spiel, das in etwa gleich unberechenbar ist wie das Wetter. Obwohl wir grosso modo wissen, zu welchen Zeiten mehr Energie nachgefragt wird (z. B. werden in Haushalten während Mahlzeiten mehr Haushaltsgeräte eingesetzt, während Büros über Nacht mehrheitlich geschlossen sind), ist es unmöglich, das Verhalten der Verbraucher genau zu steuern. Die konventionellen Anreize einer dynamischen Preisgestaltung lassen sich nicht wirklich gut auf den Markt für erneuerbare Energien übertragen, der mehr Flexibilität fordert. Wir müssen Wege finden, um Vorgänge wie das Laden von Autos zu automatisieren, um Storm dann zu beziehen, wenn er anderswo gerade nicht gebraucht wird.
Auf organisatorischer Ebene schafft die neue Energielandschaft auch neue Aufgaben und neue Rollen, sei es auf Seiten der Verteilnetzbetreiber oder auf jener der Systemdienstleistungsverantwortlichen. Es kommen Fragen zu erhöhten Cyber-Security-Anforderungen auf; algorithmisch gesteuerte Aktivierungen von Geräten und Maschinen könnten zu massiven Energiespitzen und damit verbundenen Sicherheitsrisiken führen.
Für die Forschung besteht die Möglichkeit, in dieser Kette neue Lösungen zu entwickeln, aber auch robuste Rahmenbedingungen für statistische Analysen zu schaffen. Wir müssen auf allen Ebenen, vom Mikrozeitplan bis hin zur Verwaltungsübersicht über das gesamte System, algorithmische Modelle für neue Ideen, aber auch für bereits bestehende Systeme entwickeln und genaue A/B-Tests durchführen, um bereits bestehende Lösungen zu optimieren.
Das interdisziplinäre Forschungsteam des NFS und die Gemeinde Walenstadt gehen gemeinsam diesen Fragestellungen nach und erschliessen damit das Energiepotenzial für die gesamte Schweiz. Hier trifft modernste Forschung auf reale Lebenswelt und zündet neue Ideen für eine wirklich nachhaltige Zukunft.
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Wir sind immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten für Partnerschaften. Was sind Ihre Bedürfnisse? Was möchten Sie im Zeithorizont von drei bis fünf Jahren erreichen? Wo sehen Sie die nächste Stufe der Energiewende in Ihrer Gemeinde oder in Ihrer Branche? Kontaktieren Sie uns und wir eruieren gemeinsam, wie wir zusammenarbeiten könnten, um die Zukunft zu gestalten.