Städtische Fahrspiele

21. Oktober 2021
Forschende des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) Automation unter der Leitung von Alessandro Zanardi von der ETH Zürich haben untersucht, wie autonome Fahrzeuge zu besseren Verkehrsteilnehmern in einer städtischen Umgebung werden könnten. Das Ergebnis ist erstaunlich einfach und komplex zugleich.
Cars in traffic.

In einer Welt, in der autonom fahrende Fahrzeuge einen immer grösseren Anteil am Strassenverkehr ausmachen, werden Algorithmen zu einem zunehmend wichtigen Faktor für die Sicherheit im Strassenverkehr. Städtische Umgebungen mit ihren verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln, belebten Strassen und vielen Fussgängern stellen eine besondere Herausforderung dar. Mit so genannten Urban Driving Games haben Forschende des NFS Automation unter der Leitung von Alessandro Zanardi von der ETH Zürich untersucht, wie autonome Fahrzeuge in einer vereinfachten Version dieser Umgebung zu besseren Fahrern werden können. Ihre Ergebnisse wurden in der Zeitschrift IEEE Robotics and Automation Letters veröffentlicht.

 

Aktuelle autonome Fahrzeuge sind zu passiv

"In den letzten Jahren gingen viele Videos von autonomen Fahrzeugen, die sich sehr schlecht verhielten, in den sozialen Medien viral. Sie warten zum Beispiel endlos und schaffen es deshalb nicht, auf die Autobahn einzuspuren", erklärt Alessandro Zanardi, Erstautor der Studie und Doktorand an der ETH Zürich. Der wahrscheinliche Grund dafür ist laut dem Forscher, dass die derzeitigen Algorithmen zur Bewegungsplanung für autonome Fahrzeuge dazu neigen, ein "passives" Verhalten auf den Strassen zu zeigen. "So versucht ein Fahrzeug beispielsweise  zuerst die Aktionen anderer vorauszusagen und plant dann entsprechend um sie herum", sagt Zanardi. "Es wäre jedoch besser, wenn das Entscheidungsverfahren direkt berücksichtigen würde, wie andere Fahrzeuge auf unsere Entscheidungen reagieren." Um dies zu demonstrieren, hat das Team alltägliche Fahrzeuginteraktionen von einem spieltheoretischen Standpunkt aus betrachtet. Das bedeutet, dass die Fahrzeuge ein Eigeninteresse an persönlichen Zielen haben, wie z. B. eine bestimmte Destination zu erreichen und die Verkehrsregeln einzuhalten. Darüber hinaus, und das ist das Wichtigste, verfolgen sie auch "gemeinschaftliche" Interessen – wie etwa nicht miteinander zu kollidieren –, die von jedem rationalen Fahrer erwartet würden.

 

Alessandro Zanardi is a PhD student at ETH Zurich.
Alessandro Zanardi ist Doktorand am 
Institute for Dynamic Systems and Control an der ETH Zurich.

Effiziente "Anarchie" mit Verbesserungspotential

"Zum ersten Mal konnten wir zeigen, dass die Fahrzeuge, wenn sie diese einfachen Regeln befolgen, zu sehr effizienten Fahrern werden, wenn man sie als Gemeinschaft betrachtet. So als ob die Fahrer miteinander sprechen und sich koordinieren könnten", sagt Zanardi. Das Ergebnis sei zwar nicht völlig unerwartet und beruhe auf einer "Vermutung", wie es der Forscher nennt. Dennoch ist es bemerkenswert. Bisherige Studien im Bereich der autonomen Fahrzeuge ergaben oft unerwünschte Ergebnisse, wenn die Fahrer aus Eigeninteresse handelten – egal wie rational sie gehandelt haben.

Das vielversprechende Ergebnis sollte jedoch nicht ohne Vorbehalt genossen werden. "Um dieses spieltheoretische Ergebnis in der Praxis umsetzen zu können, müssen wir einen sehr wichtigen Faktor berücksichtigen: die Unsicherheit", so Zanardi. Wie andere Fahrer, insbesondere menschliche, auf die Handlungen eines Fahrers reagieren, lässt sich nicht perfekt vorhersagen. Daher muss ein gewisser Spielraum für Fehler vorhanden sein. Vor allem in einem Umfeld, in dem kleinste Fehler zu schweren Unfällen führen können. 

 

Lesen Sie die wissenschaftliche Studie.